Einzelarbeit in der Gruppe

FIXME Dieser Abschnitt ist einem Arbeitspapier entnommen, dass allgemeine Anmerkungen zur Einzelarbeit in Gruppen macht. Eine Übertragung auf die psychodrama-spezifische Arbeit, insbesondere zum Psychodramatischen Protagonistenspiel, ist noch vorzunehmen

Problemstellung

Weit verbreitet ist das Therapie- und Beratungssetting der »Einzelarbeit in der Gruppe«, d.h. die Beraterin/Therapeutin arbeitet in Gegenwart und vor den Augen der ganzen Gruppe mit einem einzelnen Gruppenmitglied, im Psychodrama in Form des »Protagonistenspiels«. Bei diesem Vorgehen sind einige Punkte beachtenswert und ratsam:

  • Auf Seiten des Klienten

besteht in diesem Setting eine hohe Beschämungs-Gefahr. Therapie und Beratung wird in aller Regel wegen erlebter oder vermuteter Unzulänglichkeiten in Anspruch genommen. Solche Unzulänglichkeiten vor einer Gruppe zu offenbaren, ist immer mit Vorstellungen verbunden, was „die Anderen dazu sagen“ – und diese Phantasien sind meist peinlich und beschämend.

Eine andere Gefahr auf Seiten des Klienten besteht darin, dass der Klient die Gruppensituation zu einer »Beichte« nutzt mit der Erwartung, von der Gruppe eine »Absolution« zu erhalten. Für solch ein „Freisprechen von Schuld“ ist die Gruppe aber in aller Regel nicht legitimiert (weil nicht sie das Gremium/die Person ist, der gegenüber sich der Klient zu verantworten hat). Hier gilt es auf Seiten der Beraterin, diese Schuld bzw. Verantwortungsthematik entsprechend zu bearbeiten.

  • Auf Seiten der zuschauenden Gruppe

löst das Beratungsgeschehen ebenfalls intensive Prozesse aus: Emotionen, sowohl im Sinne eines emphatischen Mitempfindens als auch im Sinne eigener Reaktionen auf das Beratungsgeschehen; Hypothesen, sowohl im Sinne von Erklärungen und Sinnstiftungen, und natürlich Handlungsimpulse und Lösungsideen.

Möglichkeiten

Die zentrale Herausforderung bei diesem Setting besteht also darin, wie die »Zuschauer« und der »Klient« miteinander vernetzt werden. Methode der Wahl ist vor allem das »Sharing«, also das „teilhaben lassen“ am Empfinden und Denken. Dazu gibt es zahlreiche Möglichkeiten.

  • Auswahl des Beratungsanliegens:

Indem die Auswahl des Beratungsanliegens zum Gruppenprozess gemacht wird (per Präsentation verschiedener Themen und anschließendem soziometrischem Meinungsbild oder einfach per Abstimmung), spiegelt das Anliegen auch in gewissem Maße einen „gemeinsamen Nenner“ der aktuell relevanten Themen unter den Gruppenmitgliedern bzw. in der Gruppe wieder. Dadurch wird das konkrete Anliegen des »Klienten« zugleich auch zur exemplarischen Metapher für Anliegen anderer Gruppenmitglieder bzw. für ein aktuelles Thema innerhalb der Gruppe. Dies sichert dem »Klienten« eine stärkere emotionale Resonanz bei den Gruppenteilnehmern und schafft einen insgesamt respektvolleren Kontext: der »Klient« fühlt sich dem »Publikum« weniger ausgeliefert und spürt stattdessen eher Interesse und Wohlwollen.
Aber auch das »Publikum« ist stärker aktiviert und geht mehr mit.

  • Sharing nach der Präsentation des Anliegens:

Hat der »Klient« sein Anliegen vorgestellt, so ist dies eine gute Gelegenheit, sich in der Gruppe danach zu erkundigen, wem dieses oder ein ähnliches Anliegen bekannt ist, welche Fragen und Empfindungen damit verbunden sind oder waren, und evtl. auch schon, welche Lösungen einzelne Gruppenmitglieder entwickelt haben. Dem »Klienten« gibt das Sharing an dieser Stelle Trost, Rückhalt und Ermutigung, ganz entsprechend Yaloms Heilungsfaktor von Gruppen „Ich bin nicht der Einzige, der solch ein Problem hat, ich bin nicht allein.“

  • Beteiligung der Gruppe während der Beratungsarbeit:

Eine besonders nützliche und elegante Methode bei der Einzelarbeit in der Gruppe ist, die Gruppe oder Teile der Gruppe als »Reflekting Team« zu nutzen. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so strukturiert, ist das Vorgehen, Lösungsideen von den »Zuschauer« zu sammeln.

Eine andere Möglichkeit besteht natürlich darin, die Gruppe im Rahmen einer Skulpturarbeit oder eines psychodramatischen Rollenspiels zu beteiligen. Aber dann ist es auch schon keine Einzelarbeit vor der Gruppe mehr.

  • Beteiligung der Gruppe bei der Ausarbeitung des konkreten nächsten Schrittes:

Ist das Anliegen gut bearbeitet worden, so sollte am Ende in aller Regel die Vereinbarung eines nächsten Schrittes sein: Was genau will der »Klient« als nächstes unternehmen - wann, wo, wie und mit wem – um die erarbeitete Lösungsidee umzusetzen. Hier können die Gruppenmitglieder als »experimentelle Adressaten« dienen. (Der Klient wählt nacheinander 3-4 Gruppenmitglieder aus, stellt sich ihnen gegenüber, nimmt Augenkontakt auf und spricht zu Ihnen, d.h. er formuliert im Sinne einer kurzen Kernaussage sein Vorhaben mehrmals mit eigenen Worten.)

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Gruppenmitglieder unterstützende Argumente äußern, wieso ihrer Meinung nach das Vorhaben gelingen könnte.

  • Nach Abschluss der Beratung:

Ist die Beratungssitzung vor der Gruppe abgeschlossen, so befindet sich der »Klient« gruppendynamisch in einer exponierten Position: im Unterschied zu den übrigen Gruppenmitgliedern hat er wesentliche, z.T. sehr persönliche oder gar intime Aspekte seiner aktuellen Situation oder seiner Lebensführung offenbart. Diesen Unterschied gilt es in seiner Bedeutsamkeit zu reduzieren, damit die Atmosphäre einer „Begegnung unter Gleichen“ innerhalb der Gruppe erneuert wird. Hierzu dient das klassische Sharing: Die übrigen Gruppenmitglieder teilen mit, welche eigenen Erinnerungen an ähnliche Erfahrungen (oder auch die völlige Fremdheit) geweckt worden sind – ohne Ratschläge und ohne Analyse und Ursachenforschung.

Das Sharing dient aber nicht nur dazu, den »Klienten« wieder in die Gruppe einzubinden, es bietet auch den Gruppenmitgliedern eine angemessene Form, eigenen Emotionen Raum zur Katharsis zu bieten. Die Erfahrung zeigt, je größer eine Gruppe ist, desto eindrucksvoller und intensiver wird diese Arbeitsphase.

Abschließender Hinweis

Die Beraterin sollte nach Abschluss einer Einzelarbeit auch immer im Kopf haben, dass die Einzelarbeit meist erheblichen Einfluss auf die Gruppendynamik hat. Im Gefolge der Einzelarbeit kann das Vertrauen in der Gruppe zugenommen haben, Konflikte können akzentuiert worden sein, neue Themen könne angesprochen worden sein usw… Hier gilt es also in der Dialektik von Prozess und Struktur nicht einfach mit dem angestrebten Programm weiterzuarbeiten, sondern sich erst mal gemeinsam mit der Gruppe zu orientieren.

psychodrama/arbeitsformen/setting_gruppe/einzelarbeit_in_der_gruppe.txt · Zuletzt geändert: 2009/07/29 11:00 von ulf
www.chimeric.de Creative Commons License Valid CSS Driven by DokuWiki do yourself a favour and use a real browser - get firefox!! Recent changes RSS feed Valid XHTML 1.0