Die psychodramatische Visite / Der persönliche Coach

Die psychodramatische Visite ist ein Erwärmungsverfahren, das von Grete Leutz im Rahmen ihrer Tätigkeit als externer Psychotherapeutin entwickelt wurde zur Arbeit mit stationär behandelten Patienten an einer psychiatrisch-psychosomatischen Klinik.1)

Vorgehen:

Die Psychodrama-Regisseurin wendet sich zunächst mit einer kleinen Begrüßung an die gesamte Gruppe: Es freut mich, wieder einmal hier in Ihrem Kreise zu sein. Um mir ein Bild von Ihrer Entwicklung seit unserer letzten Gruppensitzung zu verschaffen, möchte ich mich diesmal zunächst mit Ihren Haupttherapeuten unterhalten.

Damit wendet sich die Regisseurin sogleich an das erste Gruppenmitglied (hier Maria M. genannt): Frau M., wie hat sich Ihre Patientin Maria denn in den letzten Wochen entwickelt?

Das Gruppenmitglied [Maria M.] wird also in der Rolle einer psychotherapeutischen Kollegin angesprochen, ihr wird dadurch die Rolle der »Haupttherapeutin von Frau M.« zugewiesen. Das bedeutet aber auch, dass sie mit der Rollenübernahme ihre gewohnte Rolle als »Patientin« ablegt und aus einer anderen Perspektive, die Verantwortungsübernahme und Beurteilung des eigenen (therapeutischen) Entwicklungsverlaufs beinhaltet, Stellung zu sich selbst bezieht.

Nacheinander werden so alle Gruppenmitglieder aus der Rolle ihres »Haupttherapeuten« zur eigenen Entwicklung befragt.

Varianten:

Die Vorgehensweise lässt sich leicht für andere Kontexte abwandeln. Anstelle der »Hauptherapeutin« lassen sich auch andere Figuren nutzen:

»persönlicher BeraterIn / Coach«

In miteinander vertrauten Gruppen lässt sich das Vorgehen der Visite auch zu einem Gruppenspiel abwandeln, indem die TeilnehmerInnen alle die Rolle ihres »persönlichen Coachs« einnehmen und sich im Rahmen eines »kollegialen Austauschs« (»Intervision«) über die Entwicklung Ihres »Coachees« unterhalten. Nach gebotener Zeit (5 – 10 Minuten) werden die »Coachs« aufgefordert, ihren Gesprächsfokus zu verändern und sich über ihre Erwartungen und Vorsätze für die nächste Sitzung mit ihrem »Coachee« zu unterhalten. Nach weiteren 5 – 10 Minuten wird das Spiel dann beendet, die Teilnehmer legen ihre Rollen ab und die Eindrücke und Erkenntnisse werden in der Gruppe miteinander gesammelt. (Es muß auch nicht immer gleich der »persönliche Coach« sein, in vielen Gruppen reicht dafür auch der/die »beste Freundin«)

»Schutzengel«

Eine interessante Variante des »persönlichen Coachs« ist die Konferenz der »Schutzengel«. Dazu gehen die Gruppenmitglieder in die Rolle ihres »Schutzengels« und kommen zum Austausch zusammen: Worauf sie bei ihren »Schutzbefohlenen« besonders zu achten haben, und worüber sie sich keine Sorgen zu machen brauchen, ob es Aspekte gibt, auf die sie bei ihren »Schutzbefohlenen« auch stolz sind. (Eine Variante, die sich insbesonders bei work-life-balance-Themen eignet.) Mit einem Austausch zur Frage, ob und wie sich die »Schuzengel« auch mal bemerkbar machen, läsßt sich die Suche nach „emotionalen Markern” (Damasio) unterstützen.

»eigener Klient«

In Supervsions- und Weiterbildungsgruppen läßt sich auch die Variante nutzen, die TeilnehmerInnen in die Rolle eigener KlientInnen gehen zu lassen, die miteinander über ihre »Therapeuten« bzw. »Berater« o.ä. lästern: Was sie an ihnen schätzen, was sie stört, und was sie ihnen raten würden, womit sie sich doch bitte noch mehr beschäftigen sollten …

1) Quelle: Grete Anna Leutz (1980): Das Psychodramatisch-Kollegiale Bündnis. In: Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik Band 15 (3/4): 176-187
psychodrama/erwaermung/psychodramatische_visite.txt · Zuletzt geändert: 2011/11/04 20:47 von ulf
www.chimeric.de Creative Commons License Valid CSS Driven by DokuWiki do yourself a favour and use a real browser - get firefox!! Recent changes RSS feed Valid XHTML 1.0